Nur als Expat nach China? – Arbeiten in Fernost
Blog-Special: Diesmal berichtet ein Hörer des Chinalogue Podcast über sein Leben in China und beantwortet die Frage, ob man nur als Expat nach China gehen sollte oder ob es sich auch ohne einen Expat-Vertrag lohnt Arbeiten in Fernost nachzugehen.
Zum Gastautor: Francis Kremer (Linkedin) ist als Sales and Marketing Director für das internationale Wachstum bei einer chinesischen Maschinenbau Firma verantwortlich und betreut dort vor allem europäische Kunden in China. Während seinem Betriebswirtschafts-Studium arbeitete er als Englisch Lehrer und Praktikant in China. Er spricht fließend chinesisch und lebt seit 2017 in China.
Ich habe mich früher in meinem Büro in Frankfurt oft gefragt, wann und wie ich endlich in China arbeiten könnte. Geht es Ihnen auch so? Würden Sie gerne Deutschland den Rücken kehren und Ihr Glück in China suchen?
Ich war schon immer in großer China Fan. 2004 war ich zum ersten Mal als Englisch Lehrer in China, lernte die Sprache und reiste durch das Land, danach arbeitete als Praktikant. Auch meine Diplomarbeit schrieb ich über China. Seit meinem Berufseinstieg in Frankfurt hörte ich von Freunden und Bekannten immer wieder, dass ich mit meinen Chinesisch Kenntnissen in China doch gesucht sein müsste! Warum blieb ich in Frankfurt?
Um es kurz zu machen: Ich habe auf die perfekte Gelegenheit gewartet. Dass meine Firma mich nach China entsendet. Irgendwann wurde mir aber klar: Wenn ich jetzt nicht nach China gehe, dann wird das nie was. Tatsächlich habe ich dann auch einen Weg gefunden.
Seit drei Jahren lebe ich nun in Jiaxing, in einer „kleinen“ Stadt in der Provinz Zhejiang, die an Shanghai angrenzt und auch in Stadt Hangzhou einschließt. Für viele Ausländer ist die Stadt nicht international genug und sie verbringen dann die Wochenenden in Shanghai. Ich finde gerade das „lokale“ aber echt super. Jiaxing hat viele Kanäle und Parks, und alles andere, was man eben so braucht. In meinem Stadtviertel kaufe ich beim Gemüsemarkt ein, koche selbst und habe viel Kontakt mit Chinesen hier im Ort. Letztes Jahr habe ich an vier Rennrad Rennen teilgenommen, wo unter 1000 Teilnehmern nur eine Handvoll Ausländer waren. Mit meinem Vater habe ich eine Fahrradtour durch den hintersten Westen Chinas gemacht. Ich habe ca. 18 Monate sehr intensiv neben dem Job chinesisch gelernt, und jetzt bin ich relativ fließend. Das hilft enorm.
Hat es sich also gelohnt, meinen Leben in Frankfurt nach zehn Jahren Berufserfahrung in einem sicheren Job, hohem Einkommen und tollem Work Life aufzugeben und in China ein neues Leben aufzubauen? Ganz ohne Expat Paket mit Wohnung, Heimflügen und Krankenversicherung? Definitiv. Ich lebe meinen Traum.
Es sind die täglichen Begegnungen mit den Menschen, die mich so an China reizen. Dieser Blick, wenn ich jemanden auf chinesisch grüße – ist einfach unbeschreiblich. Meine Nachbarn und die Besitzer des Gemüseladens kennen mich schon und kommentieren bei jeder Begegnung lautstark untereinander mein gutes chinesisch, dass ich so gerne Gemüse esse und hier im Stadtviertel wohne. Egal wo und mit wem ich Kontakt habe, es sind immer herzliche Begegnungen mit viel Zeit und vielen Komplimenten. Meine Kollegen und Freunde sind unglaublich hilfsbereit und zuvorkommend. Wenn sie mich zum Essen zu ihnen nach Hause einladen, dann merke ich erst vor Ort, dass noch drei weitere Freunde da sind. Einfach um es noch etwas netter zu machen. Auch wenn ich jemanden einlade, bringt er spontan noch jemanden mit. Ich habe vollständig die Kontrolle über mein Umfeld verloren, bin mit Haut und Haaren auf die Freundlichkeit meiner Mitmenschen angewiesen. Ich erlebe die Welt neu, wie ein kleines Kind.
Aber das Arbeiten in China ist nach wie vor das Highlight meines Aufenthaltes hier. Hier lernt man die Menschen wirklich kennen. In der Arbeit sind sich die chinesischen Kollegen wirklich sehr nah, es gibt gute Freundschaften, und bei Hochzeiten ist oft die ganze Firma eingeladen. Bei Firmenfeiern und Teambuildings ist die Stimmung wirklich sehr herzlich. Hier muss man wissen, dass Chinesen Freundschaften vor allem in der Familie, in der Schule und in der Arbeit schließen, also nicht etwa ausdrücklich außerhalb der Arbeit, wie in Deutschland. Wenn Mitarbeiter die Firma verlassen, halten sie trotzdem noch sehr lange Kontakt zu den alten Kollegen. Diese Beziehungen können ein Leben lang halten und sind daher, besonders im Vertrieb, sehr wichtig. Der Standardweg bei Kollegen bei Problemen aller Art ist, ihre Kollegen zu Fragen, aktuelle und auch frühere.
Dagegen ist das Privatleben der Mitarbeiter trotz ihren Alters und ihres beruflichen Erfolgs komplett von den Eltern bestimmt, die mit ihnen in einem Haushalt leben und auf ihr Kind aufpassen. Ich habe oft das Gefühl, dass die Eltern in Wahrheit die beruflichen Entscheidungen ihrer Kinder getroffen haben. Und vielleicht auch die Ehefrau und das Auto ausgesucht haben. Das merke ich immer wieder, wenn ich Mitarbeiter vor berufliche Entscheidungen, z.B. in Projekten stelle: Sie versuchen einen bequemen Weg für alle zu finden, anstatt eine sinnvolle, aber vielleicht harte Entscheidung zu treffen.
Der Umgang mit diesen kulturellen Unterschieden macht jeden Tag für mich eine große Herausforderung. Ich lerne täglich dazu.
Wenn Sie also von Ihrem Arbeitgeber als Expat nach China entsandt werden können – nutzen Sie die Gelegenheit. Aber es gibt unzählige andere Wege nach China, auch wenn sie schwieriger sind. Ich habe auch viel probiert und habe meinen ersten Arbeitgeber in China auf einer Job-Messe in Köln getroffen, wo dieser eigentlich nach chinesischen Hochschulabsolventen gesucht hatte. Ansonsten gibt es noch viele verschiedene Websites und Job Portale, z.B. für Sprachlehrer, und auch internationale Personalberatungen.
Suchen Sie Ihren eigenen Weg nach China. Es lohnt sich. Bei Fragen, nehmen Sie gerne per LinkedIn Kontakt auf.
So sieht das Leben in China aus:
(alle Bilder von Francis Kremer)
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