Propaganda-Chance: Peking nutzt die Proteste in den USA

Die seit Tagen wütenden Proteste in den USA flachen langsam ab. Die US-Regierung zeigte sich von Beginn an wenig verständnisvoll und warnte, gegebenenfalls mit dem Militär zu reagieren. Aus Peking wird die Situation genauestens verfolgt und kommentiert. Chinas Staatsmedien berichten mit Wonne.

geschrieben von Vincent Fremery

Es sind wahrhaft hervorragende Zeiten für die Propaganda-Abteilung der kommunistischen Partei Chinas. Noch Anfang des Jahres musste man sich rechtfertigen. Wie hatte sich der Corona Virus in Wuhan unbemerkt ausbreiten können? Wieso wurden warnende Ärzte zum Schweigen gebracht? Der an Covid-19 verstorbene Whistleblower und Arzt Li Wenliang entwickelte sich zu einem Symbol für Meinungsfreiheit. In den sozialen Medien wurde der Hashtag #IchWillMeinungsfreiheit hunderte Millionen mal geteilt.

Nur wenige Monate später hat sich das Blatt gewendet. Der Virus ist besiegt. Die Staatsmedien feiern die Überlegenheit des chinesischen Systems und berichten, fast zynisch, über die Lage in Italien, Spanien und allen voran, den USA.

Auch die Proteste in Hongkong hatten sich wegen der Corona Krise zunächst aufgelöst, nahmen Ende April allerdings langsam wieder an Fahrt auf. Befeuert wurden die Demonstranten durch ein Sicherheitsgesetz, das Ende Mai vom nationalen Volkskongress verabschiedet wurde. Seitdem kritisieren ausländische Medien und Regierungen Pekings Pläne den direkten Einfluss auf Hongkong zu erhöhen.

Nur wenige Tage später brechen in Amerika Proteste über institutionalisierten Rassismus und Polizeigewalt aus. Bilder von Tränengas, Schlagstöcken und brennenden Polizeiautos in amerikanischen Städten sind ein gefundenes Fressen für Chinas Staatsmedien. Drohungen von Donald Trump, Proteste gegebenenfalls mit dem Militär zu bekämpfen, werden in China genauestens verfolgt. Erst letztes Jahr, als ein Militäreinsatz in Hongkong immer realistischer wurde, reagierte die internationale Gemeinschaft mit heftiger Kritik. So lässt nun auch China die Ereignisse in den USA nicht unkommentiert.

Chinas größte nationale Tageszeitung, die Peoples Daily, berichtet penibel über gewalttätige Ausfälle amerikanischer Polizisten. Zu Videos von blutenden Demonstranten, wird immer wieder die Frage nach Menschenrechten in Amerika gestellt. Die Haltung von Donald Trump, die nicht auf Schlichtung ausgerichtete ist, steht in der Kritik: „Für die getöteten US-Bürger afrikanischer Abstammung fehlt jeglicher Trost. Trump versäumt ernsthaft über Rassendiskriminierung zu reflektieren. Zu guter Letzt werden Fehler im System nicht korrigiert, sondern weiter zum Griff nach den Waffen aufgerufen. Wo sind die Menschenrechte in den USA?“ [1]

Xinhua, die Nachrichtenagentur Chinas, titelt: „Helden vs. Verbrecher, Amerikas weltberühmte Doppelmoral.“ Sie beschreibt die Proteste in Hongkong und Amerika als grundverschieden. Die Ambitionen der Hongkonger Demonstranten, sich von China zu trennen, könne kein Land der Welt in dieser Form tolerieren. Wohingegen der institutionelle Rassismus in den USA eine ernsthafte Menschenrechtskrise darstelle. „Was ist der Unterschied zwischen Helden und Verbrechern? Wer entscheidet welche Sorte Demonstranten gut, und welche schlecht ist? Dies ist die weltbekannte Doppelmoral der amerikanischen Politik.“[2]

Die Global Times rät amerikanischen Politikern, aus der Situation eine Lehre zu ziehen. „Der Senat hatte die Proteste letztes Jahr offen unterstützt und die Demonstranten als „mutige Helden“ bezeichnet. Die Sprecherin des US-Hauses, Nancy Pelosi, nannte die gewalttätigen Proteste in Hongkong einmal einen schönen Anblick. Nun erstreckt sich der schöne Anblick von Hongkong auf über ein Dutzend US-Bundesstaaten.“ [3] [4]

Der Chefredakteur der Global Times, Hu Xijin, teilt auf seinem englischsprachigem Twitter Account in alle Richtungen aus. Trump solle, wie er letztes Jahr einst der chinesischen Regierung empfahl, mit den Demonstranten reden und verhandeln, anstatt sie zu bekämpfen.[5] Mike Pompeos Aufruf zum Gedenken an die Tiananmen Proteste würde, laut Hu Xijin, dieses Jahr nicht mehr funktionieren. Die Polizeigewalt erodiere Amerikas Selbstanspruch als „Leuchtturm der Demokratie.“ [6]

Die Doppelmoral der USA kritisierte auch Carrie Lam, die Regierungschefin Hongkongs. Bei einer wöchentlichen Pressekonferenz vergangen Dienstag, bemängelte sie die Voreingenommenheit westlicher Regierungen. “Sie schätzen ihre eigene nationale Sicherheit sehr. Sind aber voreingenommen, wenn es um unsere geht.“[7]

Die offensive Haltung Chinas ist in ihrer Form kaum verwunderlich. Sie ist eine Antwort auf die seit Jahren unablässige Kritik ausländischer Regierungen und Medien gegen das Land. Egal ob es um die Proteste in Hongkong, Internierungslager in Xinjiang oder Konflikte im Südchinesischen Meer geht, China steht immer öfter im Mittelpunkt internationaler Kritik. Das Ergebnis ist Frustration und mit wachsendem Selbstbewusstsein auch Gegenwehr.

Menschenrechtsverletzungen in Amerika schwächen die internationale Reputation der USA.

Im Umgang mit Hongkong, könnte China in Zukunft einen härteren Weg einschlagen. In Peking dürfte die Stimme Washingtons dann allerdings weniger Gehör finden.

[1] http://www.chinanews.com/gn/2020/06-03/9202202.shtml

[2] http://world.people.com.cn/n1/2020/0602/c1002-31732956.html

[3] https://www.globaltimes.cn/content/1190031.shtml

[4] https://3g.china.com/act/news/1000/20200601/38287102.html

[5] https://twitter.com/HuXijin_GT/status/1266766641326469123

[6] https://twitter.com/HuXijin_GT/status/1268126537447964673

[7] https://www.scmp.com/news/hong-kong/politics/article/3087115/lam-points-force-used-us-protests-slamming-trump