Warum Chinas Stolz auf sein Militär nachvollziehbar ist

1949-2019. Die Volksrepublik China feierte am ersten Oktober ihr siebzigjähriges Jubiläum. Zu diesem m Anlass veranstaltete die Regierung die größte Militärparade in der Geschichte des Landes. Die Präsentation neuer Langstreckenraketen und Hyperschallfliegern ist vor allem eines: Eine Machtpräsentation, die besonders nach Innen Wirkung zeigen soll. Mit Erfolg, Chinas Stolz auf sein Militär zeigt sich offensichtlich.

Am Tag der Feierlichkeiten prägen Chinas Nationalflagge, Geburtstagsglückwünschen an die Volksrepublik und Zitate aus Xi Jinpings Eröffnungsrede die sozialen Medien. Besonders ein Zitat hat sich im Aus- und Inland in die Köpfe der Menschen gesetzt: „Keine Macht der Welt kann sich in Chinas Weg stellen“. Auch noch Tage und Wochen nach der Parade wird im Internet die neue Stärke der Nation gefeiert und die Schlagkraft der Waffensysteme wird mit den Waffen der US-Armee verglichen. Was für Pazifisten und Verfechter einer friedlichen Weltordnung zunächst beunruhigend klingt, ist für Chinesen ein bedeutender Teil des neuen Selbstverständnisses.

Nationalfeiertag China Kaufhaus
Fotografiert vom Autor Vincent Fremery am Vortag des Nationalfeiertags.

Ein Blick in die Vergangenheit

Ein Blick in die Vergangenheit hilft dabei, die Begeisterung für die nationale Volksbefreiungsarmee zu verstehen.

China hatte unter der Herrschaft der Qing Dynastie im 17. und 18. Jahrhundert die größte geographische Ausbreitung in seiner Landesgeschichte erreicht. Mit 400 Millionen Einwohnern und 33% Anteil an der Weltwirtschaft war das Land zu einem globalen Schwergewicht herangewachsen.

Dies änderte sich jedoch Mitte des 19. Jahrhunderts als das britische Weltreich kurz vor seinem imperialistischen Jahrhundert steht. Großbritannien stört sich zunehmend an den Handelsbarrieren der Qing-Regierung. Während Chinas Tee- und Porzellanexporte blühen, verschließt sich China gleichzeitig gegenüber dem Import ausländischer Waren und schützt sich vor westlichem Gedankengut.

Um dem hohen Silberabfluss in Richtung China entgegenzuwirken, forciert Großbritannien den Opiumexport von Indien nach China. Opium war in China zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahrzehnten als Droge verboten und dem Kaiserhof ein Dorn im Auge: Denn der Opiumkonsum schwächte das Volk.

Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen Handels gehen jedoch nicht auf. Um das Jahr 1820 sind große Teile der chinesischen Bevölkerung opiumsüchtig. Der Konflikt eskaliert als ein chinesischer Beamter im Hafen von Kanton zwanzig Tonnen Opium beschlagnahmt und vernichtet. Die darauffolgenden kriegerischen Auseinandersetzungen gehen als Opiumkriege in die Geschichte ein.

Das „Jahrhundert der Schande“

Die britische Marine war zu dieser Zeit bereits hochmodern und der chinesischen Seestreitkraft weit überlegen. Die Niederlage leitete eine Periode ein, die in China heute das „Jahrhundert der Schande“ genannt wird.

Auf den ersten Opiumkrieg hin folgend, wurde China gezwungen seine Häfen zu öffnen und Hong Kong wurde besetzt. Neben den Briten lockt die militärische Schwäche Chinas auch andere Imperialmächte an. Franzosen, Deutsche, Russen und Japaner nutzen ihre militärische Überlegenheit aus und gründen kleine Kolonien und Handelsniederlassungen entlang der chinesischen Küste. Es werden „ungleiche Verträge“ abgeschlossen, welche China zu hohen Kompensationszahlungen und zur Abgabe weiterer Handelsrechte zwingen. Dadurch gerät im Laufe des Jahrhunderts die Legitimation der Dynastie ins Schwanken.

Einen weiterer Höhepunkt der Demütigung wurde zur Jahrhundertwende erreicht. Chinesische Aufständische wehren sich mit Hilfe der Regierung gegen die zunehmende Einflussnahme ausländischer Mächte im Land. Die sogenannten „Boxer“ vertrauen auf ihre traditionelle chinesische Kampfkunst, als Antwort auf die westlichen Gewehre .

Um den Boxeraufständen entgegenzuwirken, fallen im Jahr 1900 acht alliierte Staaten in Peking ein. Europäer, Japaner und Amerikaner besetzen den Kaiserpalast, fotografieren sich auf dem Thron und zünden die kaiserlichen Gärten in Peking an. Ein weiteres Mal bleibt das chinesische Militär machtlos. Die Unfähigkeit zur Modernisierung führt schließlich im Jahr 1911 zum Sturz der Qing Dynastie .

Fall der Qing-Dynastie und Unterlegenheit des Militärs im 20. Jahrhundert

Über die Niederlagen des 19. Jahrhunderts hinaus, hat sich vor allem Chinas Unterlegenheit gegenüber Japan im zweiten Weltkrieg ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Auch ab 1911 war China noch nicht in der Lage ein verteidigungsfähiges Militär aufzustellen, und so fielen noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland, 1931 japanische Truppen im Nordwesten von China ein. Die japanische Armee, die sich bereits im 19. Jahrhundert nach westlichem Vorbild modernisierte hatte, eroberte bis zum Ende des zweiten Weltkrieges große Teile Chinas. Bis 1945 waren 13 Millionen Chinesen dem Krieg zum Opfer gefallen.

Die ersten dreißig Jahre nach Staatsgründung waren von Wirrungen und Chaos geprägt, dies findet in den Feierlichkeiten zum ersten Oktober jedoch kaum Erwähnung. Die durch Mao Zedong’s Industrialisierungsmaßahmen ausgelöste Hungersnot Anfang der 60er Jahre findet sich in der Parade ebenso wenig wieder, wie die mit der Kulturrevolution verbundene Intellektuellenverfolgung der frühen 70er.

Zum 70. Geburtstag der Volkrepublik China besteht die Regierung Chinas auf ihr Narrativ: Die Stärke der Armee soll den Führungsanspruch der Partei stärken. Der Chinesische Traum und die Rückkehr zur früheren Stärke, kann und wird nur unter Leitung der Partei vollführt werden.

Militärparaden passen nicht in unser Weltbild

Neben wirtschaftlichem Wachstum und dem Anstieg des Lebensstandards ist auch ein starkes Militär und die Möglichkeit den eigenen Machtanspruch zu verteidigen ein Teil des neuen Chinas. Auch wenn Militärparaden kaum in das Weltbild eines Europäers passen, hilft der Blick in die Vergangenheit zumindest dabei besser zu verstehen. 

 

Autor: Der Chinaloguer Vincent Fremery.

Sie möchten noch mehr über China lernen und die Zusammenhänge vestehen?

China Einfach Verstehen – Das Online Training

Das Online-Training China Einfach Verstehen eignet sich für alle, die in kurzer Zeit ein Kompaktwissen zu China aufbauen möchten. Das Training bietet die Grundlage für ihren erfolgreichen Umgang mit China und ist ein Teil der Chinalogue Akademie.