Chinas Künstliche Intelligenz
Erster Teil der Serie zu Künstlicher Intelligenz in China von Vincent Fremery, einem Chinalogue-Teamer.
Chinas künstliche Intelligenz
China verfolgt einen konkreten Plan, die EU und Deutschland nicht. Christian Lindner kritisierte im April, beim Bundesparteitag seiner FDP, das Fehlen einer Zukunftsvision für die deutsche Wirtschaft. Fernost droht uns deswegen an Attraktivität als wirtschaftlicher Standort davonzurennen und weit hinter sich zu lassen. Hinter ihm leuchten in Gelb vier riesige, chinesische Schriftzeichen auf: 经济政策, Wirtschaftspolitik.
Dass China konkrete Vorstellungen und Ideen für die nächsten Dekaden hat, ist nichts Neues. Wer einen genaueren Blick in die aktuellen Projekte der chinesischen Regierung wirft, wird allerdings feststellen, dass sich beispielsweise „Made in China 2025“ oder „One Belt, One Road“ längst nicht mehr nur danach richten mit dem Westen aufzuschließen. Die Ambitionen verfolgen inzwischen weit höhere Ziele.
Welchen Plan verfolgt China in der künstlichen Intelligenz?
Kaum ein Projekt spiegelt diese Ambitionen so klar wider, wie der im Juli 2017 vom Staatsrat der Volksrepublik veröffentlichte „New Generation Artifical Intelligence Development Plan“. Das Ziel des Projektes: China bis zum Jahre 2030 zum globalen Führer im Bereich der künstlichen Intelligenz zu machen. Um dies zu erreichen müssen laut Plan vorab zwei Etappenziele erreicht werden. Bis zum kommenden Jahr soll die nationale Forschung zunächst mit dem internationalen Stand der Technik aufschließen. Der Fokus liegt auf Big Data, Grundlagenforschung und der Entwicklung von autonom funktionierenden, intelligenten Systemen. In der darauffolgenden Etappe bis 2025 steht die Implementierung in Infrastruktur, Wirtschaft, Medizin, Landwirtschaft, die nationale Verteidigung und viele weitere Sektoren auf dem Programm. Der Plan sieht in dieser Periode große wissenschaftliche Durchbrüche vor, die das Land bis 2030 zum weltweit fortschrittlichsten Akteur der Branche machen sollen.
Die chinesische Regierung um Xi Jinping definiert das Projekt als Schlüssel für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und nationale Sicherheit Chinas. Inwiefern sich dermaßen konkrete Pläne tatsächlich verwirklichen lassen ist abzuwarten. Vergangene Projekte zeigen allerdings, dass China mit Plänen dieser Art durchaus erfolgreich sein kann. Anfang der 2000er Jahre beispielsweise plante die chinesische Regierung das damals unterentwickelte Gleisnetzwerk des Landes zu reformieren. Heute, 20 Jahre später, besitzt China das mit Abstand längste und komplexeste Hochgeschwindigkeits-Schienennetz der Welt.
Was ist künstliche Intelligenz?
In den letzten Jahren ist um das Thema künstliche Intelligenz ein regelrechter Hype entstanden. Regierungen aller Länder veröffentlichen Pläne und weisen die Technologie als wegweisend für die Zukunft aus. Doch was genau ist überhaupt gemeint, wenn man von künstlicher Intelligenz spricht?
Bereits seit über sechzig Jahren befassen sich Informatiker mit der Idee autonom denkende Computerprogramme zu verfassen. Die Idee eine künstliche Intelligenz zu erschaffen, lebt also schon seit den Kinderstunden der Informatik. In den 80ern und 90ern verlor das Gebiet allerdings aufgrund von fehlendem Fortschritt deutlich an Aufmerksamkeit. Dies änderte sich mit großen Durchbrüchen in den letzten zwanzig Jahren deutlich. Sogenannte „Deep Learning“ Netzwerke sind eine digitale Imitation von neuronalen Netzwerken und funktionieren auf ähnliche Weise wie das Nervensystem eines Lebewesens. Algorithmen können mit Hilfe von Informationen und Datensets, wie ein menschliches Gehirn, selbst neue Lernmethoden und Lösungsansätze für Probleme erarbeiten.
Durch die hohe mediale Abdeckung des Themas hat sich der Irrglaube, künstliche Intelligenz sei ein einzelnes, wie ein Gehirn denkendes Computerprogramm, stark verbreitet. Tatsächlich ist künstliche Intelligenz ein Sammelbegriff für die generelle Digitalisierung von autonomem, intelligentem Verhalten. Grundlegend wird unterschieden zwischen „narrow“ und „general“ AI (Artifical Intelligence). „Narrow AI“ beschreibt Programme, die auf einzelne, spezifische Aufgaben ausgerichtet sind.
Das Programm AlphaGo beispielsweise schaffte es im März 2016 den weltbesten Go Spieler Lee Sedol zu schlagen. Würde man AlphaGo allerdings nach dem Unterschied zwischen einem Menschen und einer Katze fragen, so wäre das Programm nicht mal imstande überhaupt eine Antwort zu generieren. General AI hingegen beschreibt eine digitale Imitation des menschlichen Gehirns, mitsamt all seiner Möglichkeiten. Die wohl populärste Form von General AI ist Arnold Schwarzenegger im Hollywood Klassiker „The Terminator“. General AI besteht bis heute allerdings ausschließlich in Fiktionen. Jede Form von aktuell eingesetzter künstlicher Intelligenz ist „narrow“ und auf konkrete Aufgabenbereiche spezialisiert.
Das Rennen wird durch China und die USA bestimmt
„Narrow AI“ lässt sich in mannigfaltiger Weise in unsere Umwelt einfügen und hilft diverse Aspekte unseres Lebens effizienter zu machen. In der Medizin lassen sich schon heute Krankheiten früher diagnostizieren, in den USA fahren auf der Straße bereits erste fahrerlose Autos und Amazon, Spotify oder Facebook können ihre Plattformen mit Hilfe von Big Data immer präziser an das Verhalten ihrer Nutzer anpassen. Der gigantische potenzielle Markt bringt das Thema auch auf die Agenda von Entrepreneuren und Investoren. Die Startup Szene boomt weltweit. Doch während in der UK, Japan, Südkorea, Indien oder Deutschland der Ball gerade erst ins Rollen kommt, tragen China und die USA bereits ein unvergleichbares Kopf-an-Kopf-Rennen aus.