Erste Schritte zum Markteintritt in China
Wenn man als deutsches Unternehmen den Schritt nach China wagt, steht man häufig vor großen Herausforderungen. Die Startup Factory China unterstützt Unternehmen beim Markteintritt und bietet auch Produktionsflächen in einem chinesischen Industriepark. In der Chinalogue Podcast Folge #11 hat Dr. Christian Haug bereits genauer über die Tätigkeit der Startup Factory in China berichtet. Hier findet ihr nun das Transkript zur Folge.
"Es geht nicht mehr um Verlagerung nach China, sondern um die Teilnahme am Markt, um dann auch als kleines KMU in Europa eine vernünftige Position zu haben."
Dr. Christian Haug Tweet
Podcast Transkript zum Markteintritt in China
Sabrina Weithmann: Christian, was genau macht die Startup Factory in China und was ist Deine aktuelle Position und Rolle in der Startup Factory? Wofür bist Du zuständig?
Christian Haug: Mit der Startup Factory ermöglichen wir mittelständischen Unternehmen den risikominimierten Start in China, wenn es um eigene Produktion & Montage geht oder Tochterunternehmen. Wir übernehmen da operative Tätigkeiten, angefangen über Finanzen, General Management, HR bis hin zu technischen Themen in der Produktion. Das ist auch das, was ich gelernt habe: In China verschiedene Einheiten operativ führen. Aber auch, sich in den rechtlichen Rahmenbedingungen in China zurecht zu finden und die Unternehmen in China erfolgreich zu machen. Und das geht nur in enger Zusammenarbeit.
Wir bei der Startup Factory haben alle lange Erfahrung im Managen von Firmen in China und können so unsere Erfahrungen den anderen Firmen gut weitergeben, sodass sie einen leichteren Start haben, als wir das damals hatten.
Sabrina: Wer steckt hinter der Startup Factory? Ihr wurdet 2011 gegründet aber wer steckt als bspw. Investoren dahinter?
Christian: Bernd Reitmeier hatte die Idee und auch gegründet. Er hatte erlebt, dass viele KMUs gerne etwas in China machen würden, aber China immer sehr groß gedacht hat. Wenn man also in einen Industriepark geht, dann findet man da Hallen mit 5000qm, aber selten kleine Hallen, selten mietbare Hallen. Meistens muss man in ein Investment gehen oder Landkauf. Dinge, die mit Risiken verbunden sind und viel Geld kosten. Daraus entstand die Idee, mehrere deutsche Firmen unter ein Dach zu bringen. Dann kann man Ressourcen wie Gabelstapler teilen oder netzwerken und von Erfahrungen profitieren und muss nicht in jede Falle selbst treten.
Diese Idee hat Bernd Reitmeier daher sehr konsequent verfolgt und ging von der AHK weg. Er hat in Kunshan Partner gefunden, die in der Industriezone im German Industrial Park auch Flächen haben.
Was macht einen chinesischen Industriepark aus?
Sabrina: Was macht denn ein Industriepark und was genau ist das?
Christian: Das ist wie bei uns ein Gewerbepark. Dort ist Gewerbe und das spielt für insbesondere die Produktion eine Rolle. Um eine Produktionsgesellschaft zu gründen, muss ich nachweisen, dass ich einen Mietvertrag oder einen Eigentumsvertrag über Produktionsfläche habe. Sonst habe ich nur eine Handelsgesellschaft. Daher wird man dann in einem Industriegebiet landen. Da gibt es in China sehr viele. Es gibt eine Handvoll deutsch-chinesische Industrieparks, die sich Deutschland als Zielland aussuchen.
Da geht es in China darum Auslandsinvestitionen ins Land zu holen und das ist die Rolle der Parks. Da ist es selten der Fall, dass Unternehmen länger begleitet werden. Es geht darum eine Unterschrift unter ein Investment zu bekommen. Das ist daher auch für Dienstleister ein breites Feld in den Industriezonen, weil es selten Unterstützung gibt, die über die reine Akquise in den Park hinausgeht.
Sabrina: German Industrial Park heißt dann einfach, dass besonders deutsche Unternehmen angesprochen werden, um sich dort niederzulassen?
Christian: Ja, wobei die deutschen Unternehmen ja meist etwas anders strukturiert sind. Es gibt viele kleine Unternehmen, die KMUs, die wir als Mittelstand bezeichnen und wo über 90% der Mitarbeiter in Deutschland ihren Arbeitsplatz finden. Solche Strukturen haben nicht viele Länder. Daher sollten solche Zonen, die sich Deutsch nennen, darauf ausgerichtet sein auch kleinere Kunden, zu bedienen. Ob das gelingt, kann ich schlecht beurteilen.
China macht da immer einen Zwischenschritt. Sie sagen, „ja wir sind am Mittelstand interessiert“, aber sobald ein größeres Unternehmen kommt, dann switchen sie zu den größeren. Und das macht uns als Startup Factory sicherlich wertvoll, da wir einen Multiplikator-Effekt haben. Wir stehen für 35 deutsche KMUs, einen Schweizer und einen Schweden. So haben wir eine wahrnehmbare Grenze für den Industriepark erreicht und dann macht es für diesen auch mehr Sinn sich mit den kleineren zu beschäftigen.
Sabrina: Und da habt ihr auch einen Inkubator der kleineren Unternehmen in China hilft?
Christian: Wir bezeichnen uns als Inkubator, da wir bei den ersten Schritten helfen. Wenn eine Firma wächst, dann wird sie in der Lage sein auf eigenen Beinen zu stehen. Daher bezeichnen wir unser Konzept als Inkubator. Und da gibt es auch etliche Firmen, die uns verlassen haben und jetzt mit eigenem GM und Produktion in Kunshan oder Umgebung angesiedelt sind. Diese sind also aus der Startup Factory rausgewachsen.
Zum Beispiel die Firma Berger, die stellen Drehteile für die Autoindustrie her und waren bei uns bis zu einer Größe von 50-60 Mitarbeitern und haben in Dreischicht produziert. Dann kam der Punkt, an dem wir das Wachstum nicht mehr ausreichend unterstützen konnten, da wir geteilte Ressourcen haben. Wenn man dann weiterwachsen will, dann braucht man auch ein eigenes Management. Aber sie konnten bei uns ihren Kundenstamm und die Mitarbeiterbasis aufbauen und so ist es ein guter Start in den Markt und auch das Risiko für den nächsten Schritt ist dann kalkulierbar.
Wie sehen die ersten Schritte beim Markteintritt in China konkret aus?
Sabrina: Wie sieht das dann konkret aus, also fängt man mit einem Mitarbeiter an und was kommt dann? Wie sehen die Schritte aus?
Christian: Das ist das spannende. Auch wenn man in Deutschland 300 Mitarbeiter hat, dann fängt man in China auf einem weißen Blatt Papier an und meist mit einem einzigen Mitarbeiter. Das ist dann meist jemand, der administrativ alle Vorgänge mit dem Mutterhaus erledigen kann. Dann kommt ein Montage- oder Serviceleiter mit dazu, der dann auch technisch das Geschäft abbilden kann und dann hängt es von der Firmenstruktur ab. Es kann ein Verkaufs- oder Vertriebs- Qualitätsmitarbeiter sein. Letzteres hat man oft im Autozuliefererbetrieb, weil die Kunden bereits aus Deutschland klar sind.
In anderen Bereichen wie Maschinenbau, wo ein Service aufgebaut wird, da geht es wirklich um Servicetechniker, die im Mutterhaus ausgebildet werden und dann nach China geschickt werden. Dann wächst das meist organisch. Anfangs hat man meist rote Zahlen. Aber das ist das schöne an unserem Konzept, dass man keinen großen Management Overhead hat. Man kann daher mit uns schon früher zu schwarzen Zahlen kommen, aber es muss auch immer Geschäft dahinterstehen und dazu braucht man ein paar Leute.
Sabrina: Ab wann macht es für Unternehmen Sinn nach China zu gehen und wann sollte man die Hände davonlassen?
Christian: China ist nach wie vor ein stark wachsender Markt. Wer sich global aufstellen möchte, kommt um China nicht herum. Insbesondere nicht, wenn man den Standort Deutschland sichern möchte. Es geht nicht mehr um Verlagerung nach China, sondern um die Teilnahme am Markt, um dann auch als kleines KMU in Europa eine vernünftige Position zu haben. Die Produkte müssen natürlich auch dem chinesischen Kunden einen added-value bieten. Der muss etwas bekommen „made in Germany“ was einen Kaufanreiz bietet.
Wenn man dann in China Service und Vertrieb anbieten und schnell reagieren kann, dann wird man in China eine Möglichkeit haben, einen Startpunkt zu haben, den man ausbauen kann. In einigen Branchen gibt es Überkapazitäten, wie im Baubereich. Als Zementfabrik würde ich vielleicht nicht nach China gehen. Im Stahl ist das ähnlich, aber alles, wo ein bisschen Knoff-hoff dahintersteckt, da ist es immer eine Möglichkeit ein Marktteilnehmer zu werden und diese Chance sollte man nutzen. Für viele Produkte wird auch jetzt erst der Markt reif.
Sabrina: Gibt es auch Branchen, von denen man die Hände lassen kann, weil die chinesischen Unternehmen einfach schon so stark sind, dass man gar nicht mehr in den Markt kommt?
Christian: Chinesische Unternehmen werden immer innovativer, melden Patente an, wodurch man aber auch mehr Schutz in dem Bereich hat. Bei Spritzguss kommt ein Drittel aller Produkte aus China. Die wissen was sie da zu tun haben. Wenn ich aber eigenes Engineering und Entwicklung dazu biete, dann werden ich nach wie vor einen Mehrwert abbilden können. Man muss verstehen wie man es macht und dann ist es möglich.
Aber ja, man muss mit chinesischem Wettbewerb rechnen und beobachten. Man muss offen sein und vielleicht auch Rückschlüsse auf eigene Produkte ziehen. Je nachdem was der Markt verlangt, muss ich die dann auch umkonstruieren. Diesen Marktgespür erhält man aber nur vor Ort.
Sabrina: Dann könnte eine China-Engagement auch einfach dazu dienen, um in China mitzubekommen was vor Ort vor sich geht?
Christian: Die Felder, in denen wir lernen können, das sind noch gar nicht so viele. Da gibt es KI oder e-Commerce wo man viel lernen kann, wenn auch China hier abgeschottet ist. Für die klassischen Industrien ist der Standort China wichtig, um zu sehen wie sich der Markt entwickelt und zu erfahren, was der Kunde will. Das kriegt man nicht raus, wenn man mal nach China auf eine Messe fährt. Das bekommt man nur mit, wenn man mit den eigenen Produkten im Markt ist. Wir haben aber auch Fällen, in denen in China für den weltweiten Vertrieb entwickelt wird.
Sabrina: Ist das noch das typische Re-Engineering? Entwickelt man Produkte einfacher, damit sie auch in günstigeren Preissegmenten Absatz finden? Ist das der Hintergrund?
Christian: Ist es da nicht, aber das ist auch ein gängiger Weg, dass man aus China heraus den asiatischen Markt bedient. China versucht im pazifischen Raum ein wichtiger Player zu sein. Es werden Freihandelsabkommen (FTA) geschlossen. Wenn man in China eine Firma hat, dann ist das eine chinesische Entity. Also warum nicht von diesen FTAs profitieren und den Markt von China aus bedienen. Das kann strategisch sinnvoller sein als das aus Europa heraus zu machen.
So ein zweiter Standort kann eine gute Möglichkeit sein, um weltweit das Risiko für die Firma zu minimieren. Dann hat man dort eine lokale Lieferkette und kann den lokalen Raum bedienen. Das kann China oder Südostasien sein und so wird man dann auch unabhängiger von bspw. nationalistischen Tendenzen.
Warum scheitern Unternehmen beim Markteintritt in China?
Sabrina: Gab es auch Fälle des Scheiterns bei euch und wenn ja, was waren die Gründe?
Christian: Es passiert auch mal, dass man nicht erfolgreich ist. Wenn das Mutterhaus eine andere Eigentümerstruktur bekommt und der neue Eigentümer das Chinageschäft gestrichen hat. Wir hatten auch schon die Zusammenlegung mit einem anderen Unternehmensteil in China. Es braucht auf alle Fälle die Unterstützung aus dem Mutterhaus. Wir alleine können nur unseren Service, Infrastruktur und die Erfahrung anbieten. Wir können es aber nicht mit Inhalt füllen. Unter den ca. 40 Unternehmen, die bei uns gegründet haben, gab es 4-5 die auch den Rückzug wieder angetreten haben.
Sabrina: Man hört auch immer wieder von den Wellen des Scheiterns. Alles zwei Jahre wird es in der Presse gehypt das Unternehmen in China scheitern und zurückgehen. Kann man das an Jahren festmachen? Gibt es das als Trend oder Wellen?
Christian: Nein, selbst 2016, als die Wachstumszahlen zurückgingen wurden angemessene Gewinne eingefahren. Klar, Konjunkturwellen gibt es, aber in China gibt es schon ein sehr stabiles Wachstum. Wichtiger sind die Motivationen, weshalb unternehmen nach China gehen. Viele Firmen, die bis zu vor 10 Jahren aus Kostengründen nach China gingen. Für die ist es jetzt ein Problem wie sich China entwickelt hat. Es hat sich auch das Lohnkostenniveaus entwickelt.
Der Binnenmarkt ist schön, aber der ist nur gut, wenn die Leute auch Geld verdienen. Was Produktion angeht, ist Osteuropa teils schon ein günstigerer Standort. Wenn man aber aus strategischer Wahl, wie Zugang zu Restasien, herangeht, dann hat man eine andere Erwartungshaltung, dann ist das spannend und kann funktionieren. Es hängt von der Motivation ab, wie man vom Gefühl dann am Ende auch erfolgreich ist mit dem Unternehmen.
In China ist es wahnsinnig wichtig schnell zu reagieren. Wenn ein chinesischer Kunde kommt, dann möchte der nicht 4 Wochen auf ein Angebot warten und auch nicht auf den Service, sondern das muss zeitnah passieren und am besten gestern. Wenn man einen Servicetechniker vor Ort hat, dann hat man ein besseres Standing und kann Marktanteile ausbauen und bekommt darüber das Geschäft geregelt. Wenn man das rein nach Produktionskosten bewertet, dann gibt es da eine Reihe von Bespielen, die von der Presse aufgegriffen werden.
Wenn man sich die chinesische Konkurrenz anschaut, dann ist aber schon klar, dass man gleiche Qualität liefern muss. Autozulieferer können es sich nicht leisten in China mit einer anderen Qualität an den Start zu gehen als in Europa. Da stecken dieselben Zertifizierungen dahinter und die gleichen Regressforderungen der Autokonzerne. Da wird auf dem gleichen Niveau gefördert.
Sabrina: Die Zeiten, in denen man noch mit einem Vorläufermodell in China punkten konnte, sind vorbei.
Christian: Da stimme ich zu. Man muss schauen, dass man innovativ bleibt und sein Produkt entsprechend weiterentwickelt, um den Vorsprung vor dem Wettbewerb zu halten. Aber Vorsprung auf Vorrat mit alten Produkten funktioniert nicht mehr. Das Modell Santana ist vorbei. China ist ja auch nach außen aktiv. Die kommen auch nach Deutschland, nach Europa, in die USA. Wenn sie da sehen, dass die Maschinen hier eine andere ist, als die in China, dann werden sie auch sagen „ich möchte bitte diese“.
Da muss man die Balance finden. Was ist an Marktanpassung notwendig und brauche ich wirklich so ein Downgrading für den Markt oder wie kann man den Premiumanspruch deutscher Produkte aufrechterhalten. Wie erreicht man das darunterliegende Marktsegment. Das muss man sich im Einzelfall anschauen. Die Schlüsseltechnologien muss man ja nicht unbedingt direkt in China fertigen, aber man muss sie zumindest in die Produkte einbauen, damit man einen Wettbewerbsvorteil hat, und am Ende die Qualität hat, die auch ein chinesischer Kunde erwartet.
Was ändert sich für den deutschen Mittelstand in China?
Sabrina: Wo geht es in den nächsten 5-10 Jahren hin? Was wird sich für den Mittelstand verändern? Gibt es Ängste, die diesbezüglich bestehen?
Christian: Der Wettbewerb wird härter und das wird sich auch fortsetzen. Man muss schauen, wie man Kooperation mit chinesischen Unternehmen eingeht. Der Faktor Kooperation wird eine größere Rolle spielen als bisher. Das ist aber auch der Entwicklung der chinesischen Unternehmen geschuldet.
Das Diskutieren auf Augenhöhe, das wird in ein paar Bereichen länger dauern, in anderen flotter gehen. Der Bereich Digitalisierung wird eine große Rolle spielen, um Produktivität zu steigern. Die Zahl der verfügbaren Arbeiter in China nimmt ab. Wenn man weiter produzieren möchte und eine Rolle spielen, dann muss man produktiver werden.
Wir Deutsche mit Industrie 4.0 können hier sicher ein guter Partner sein. Wir bei der Startup Factory versuchen das auch in unserer Smart Factory, die wir als physische Plattform aufbauen. Es gibt Bereich in denen China innovativ ist und man voneinander lernen kann. In diese Richtung wird es gehen inklusiver aller Problemen wie Schutz geistigen Eigentums. Das ist noch nicht perfekt. Man muss sich aber etwas voneinander abschauen können und voneinander lernen. Als ich China kennengerlernt habe, da sah es noch anders aus. Jetzt ist es aber bspw. an der Ostküste ein hochentwickeltes Industrieland.
Sabrina: Was genau macht denn die Smart Factory?
Christian: In der Smart Factory wollen wir Mittelstandsprodukte, was man bei uns unter Industrie 4.0 Produkt versteht, in die Anwendung bringen. Für jemanden, der sein Produkt da reinbringt, wird es dann sichtbar in China, also als Marketing-Plattform. Und es hat den Vorteil dann für Unternehmen, dass sie eine hochwertige Produktionsumgebung haben, also eine offene Plattform, die nicht nur an unsere Firmen gebunden ist.
Die Smart Factory richtet sich an den ganzen deutschen Mittelstand, aber auch an chinesische innovative Unternehmen, die am Austausch mit deutschen Unternehmen interessiert sind. Und so Brücken bauen und an einer physischen Plattform zusammen zu bringen. Das ist keine Internetplattform, sondern physisch.
Sabrina: Christian, vielen Dank für die Einblicke und das Gespräch.